Diskussion

Open eBook baut stark auf XHTML auf. Es stellt sich die Frage, welche neuen Vorteile der Open eBook-Standard gegenüber XHTML bringt.

Bessere Eignung für „kleine“ Geräte

Die vorgenommenen Änderungen an XML, XHTML und CSS sollen das Rendering von OeB-Publikationen auf Geräten mit geringer Rechen- und Speicherkapazität erleichtern. Wenn diese Standards auf solchen Geräten aufgrund technischer Beschränkungen nicht vollständig implementiert werden, dann ist es sinnvoll, sich auf eine gemeinsame Teilmenge zu einigen. Dies erhöht die Interoperabilität und setzt die Schranke für Implementierer niedriger. Andererseits macht das Mooresche Gesetz diese Bemühungen vielleicht obsolet. Opera — ein vollständiger HTML-, XHTML- und CSS-fähiger Webbrowser mit vorbildlicher Unterstützung dieser Standards — läuft auch ohne solche Einschränkungen auf heutigen SmartPhones.

Navigation

Ein wichtiger Faktor für den Erfolg von HTML und des Webs waren die hochflexiblen Navigationsmöglichkeiten durch Hyperlinks. Bücher hingegen werden linear navigiert und haben eine relativ feste Struktur aus standardisierten Elementen wie Inhaltsverzeichnis, Vorwort, Kapitel, Anhänge, Literaturverzeichnis und Index. Open eBook stellt im Package-File spezielles Markup für die Auszeichnung dieser Strukturen zur Verfügung. Dies vereinfacht die Realisierung spezialisierter Navigationsfunktionen. Ein mobiles Lesegerät könnte beispielsweise über eine spezielle Taste verfügen, die eine Liste dieser Buch-Standardelemente aufruft und ihr einfaches Anwählen ermöglicht. Dieses Navigationsfeature würde in jedem eBook identisch aussehen und funktionieren. In XHTML würde wahrscheinlich jeder Autor oder Verleger sein eigenes Navigationsschema erfinden. Andererseits verfügt auch HTML über vergleichbares, wenn auch in der Praxis wenig genutztes Markup (das link-Element). Dieses Markup könnte ähnliche spezialisierte Navigationsfeatures ermöglichen.

Fallbacks

Der Fallback-Mechanismus von Open eBook fördert die Erweiterbarkeit des Standards. Lesegeräte können optional weitere Dateiformate unterstützen. Publikationen, die diese Erweiterungen benutzen, werden trotzdem in allen standardkonformen Lesegeräten funktionieren. Doch auch hier bietet (X)HTML mit dem object-Element eine vergleichbare Alternative an.

Besser definierte Package

Eine Publikation im OeB-Format ist ein klar definiertes Paket. Ein OeB-Reader kann mit einen kurzen Blick in das Package-File die wichtigen Metadaten herausholen, die Navigationsstruktur sehen und feststellen, welche Dateien dazugehören. Bei (X)HTML-Dokumenten ist dies erst möglich, nachdem sämtliche Dokumente geparst wurden.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der OeB-Standard im Wesentlichen die gleiche Mächtigkeit wie XHTML besitzt. Die Einschränkungen an XML, XHTML und CSS reduzieren jedoch den Implementierungsaufwand. Das Package-File bietet einen zentralen Sammelpunkt für verschiedene Meta- und Verwaltungsinformationen an und erleichtert die effiziente Implementierung von Lesegeräten.

Trotz breiter Industrieunterstützung ist die praktische Relevanz von Open eBook bisher gering. Die großen Player pushen ihre eigenen proprietären Binärformate. Unter „Kompatibilität zu Open eBook“ verstehen sie, dass Tools zum Konvertieren von OeB in ihre proprietären Formate existiren (siehe Microsoft, Gemstar). Die einzige tatsächlich funktionierende Software (neben einigen Ankündigungen, wie [LiberGNU] und [OpenBERG]), die OeB-Publikationen lesen und anzeigen kann, ist [eMonocle] für Java. Bücher im OeB-Format findet man kaum, ob nun für Geld oder kostenlos. Die einzige große Sammlung scheint [GlobalMentor] zu sein, und ihre Veröffentlichungen sind automatische Konvertierungen der Plain-Text-Dokumente von [ProjectGutenberg]. „OeB-Standard“ wird daher gelegentlich scherzhaft mit „Other eBook Standard“ übersetzt.

Der Open eBook-Standard verzichtet auf eine Beschreibung der Art und Weise, wie diese Dateien physikalisch zu verpacken sind. Für den Endgerätemarkt entscheidende Fragen wie Kompression, Verschlüsselung und Rechtemanagement werden nicht berücksichtigt. Dieser Bereich wird von den proprietären Lösungen verschiedener Anbieter abgedeckt. So ist beispielsweise Microsofts Reader-Format eine binäre, komprimierte Codierung von Open eBook mit zusätzlichen Features für Rechtemanagement.

Content Provider werden ihre Inhalte nur in einem Format veröffentlichen, das ihre kommerziellen Interessen und Urheberrechte schützt. Das tut Open eBook nicht. Nichtkommerzielle Anbieter könnten Inhalte im OeB-Format anbieten, aber das naheliegende Vertriebsformat für sie ist HTML oder PDF, da diese für das weitaus größere Publikum vor Desktop-PCs leichter zugänglich sind. Es ist also nicht klar, woher die Inhalte im OeB-Format kommen sollen. Dies, und die relativ geringen Vorteile von OeB gegenüber HTML, machen es zweifelhaft, ob OeB als Client-Format auf den Endgeräten eine Zukunft hat.

Für Autoren und Verleger ist es sinnvoll, ein Standardformat für den Authoring-Prozess zu haben, und dieses zwecks Maximierung der potentiellen Zielgruppe in verschiedene Formate mit Rechtemanagement (Microsoft Reader, PDF, MobiPocket) zu konvertieren. Open eBook könnte sich als dieses Standardformat für das Authoring und den Austausch von eBooks etablieren. Die Verwendung bekannter Standards wie XHTML und CSS erleichtert das Authoring und ermöglichen die Weiterverwendung vorhandener Tools. Programme zur Konvertierung von OeB in gängige eBook-Formate sind vorhanden (z.B. [ReaderWorks], [MobiPocketPublisher]). Auf den Endgeräten werden wahrscheinlich weiterhin eher diese Formate zum Einsatz kommen, als Open eBook.